1750/1751: Kastorf wird verkoppelt:
Über die Verkoppelung im Kreis Herzogtum Lauenburg wurde schon viel geschrieben, doch wurde leider immer übersehen, dass Kastorf eigentlich das erste Dorf im Kreisgebiet ist, das verkoppelt wurde. Es ist nicht Sandesneben im Jahr 1763, wie es Gerhard Meyer in seiner Verkoppelungsgeschichte (Die Verkoppelung im Hzgt. Lauenburg unter hannoverscher Herrschaft) angibt. Es ist Kastorf, dass schon 13 Jahre vorher verkoppelt wurde. Und diese Pioniertat hat Kastorf dem aus dem Hannoverschen stammenden Christian Ludwig von Hammerstein zu verdanken.
Die nachfolgenden erhaltenen Berichte der Bauern lassen leicht den Eindruck entstehen, dass von Hammerstein nur seinen eigenen Vorteil dabei im Sinn hatte, doch sollte man dabei nicht ausser Acht lassen, dass so eine Verkoppelung erhebliche Kosten verursacht (Landvermesser, Remission, Beurteilung der Boden-, Weide- und Forstqualitäten durch Experten). So schreibt er 1759, er habe noch wegen seines Guts viel mit enormen Gisten, Capital und Zinsen der von Schenk zu kämpfen, so daß beinahe nur die Possession [Besitz] eines verschuldeten und ruinierten Guts übrig bleibe.
Auch hat von Hammerstein mit der Aussiedlung der Hufner praktisch den Idealfall der Verkoppelung umgesetzt hat. "Die allervollkommenste Gemeinheits-Aufhebung ist ohnstreitig diejenige, bei welcher ein jeder Theilnehmer in der Mitte seiner geschlossenen Ländereyen zu wohnen kömmt" (Joh. Fr. Meyer, Von der Gemeinheits-Aufhebung, Göttingen 1784).
Mit der praktischen Umsetzung wird 1750 der Landvermesser Ingenieur-Capitain Pierre Joseph du Plat beauftragt. Du Plat fertigt 1751 eine "kleine Charte vom adeligen Guthe Castorf" an, welche wohl die Grundlage für die Verkoppelung von 1750/1751 und das Vermessungsregister ist. Leider ist diese Karte verschollen.
Die Verkoppelung erstreckte sich über einen längeren Zeitraum und unterteilt sich in drei Phasen:
1. das Koppelmachen. 16 Jhd. -18 Jhd.
2. Setzung und Egaliesierung. 1751/1752
3. Aufhebung der Allmende 1766 und Umwandlung in Erbpacht 1808
Das dem Bauern bei der Besiedlung (12. u. 13. Jahrhundert) bemessene Hufenschlagband wurde im Laufe der Zeit durch Zurodung neuer Gewanne (Kämpe) vermehrt, Neuverteilung ehemals wüstliegender Flächen (15. Jhdt. Wüstungsperiode) sowie Erbfolge sind weitere Gründe für die im Laufe der Jahrhunderte immer stärker zunehmende Zersplitterung der Feldmark. Die einzelnen Streifen, auch Stücken genannt, lagen in schmalen Bändern nebeneinander und wurden gemeinschaftlich bewirtschaftet. Die Erträge waren gering und die genossenschaftliche Nutzung hemmte die Eigeninitiative.
1. das sogenannte “koppelmachen” begann im Lübecker Umland schon im 16. und 17. Jahrhundert. Später um 1730 betrachtete man hier die Verkoppelung als unerläßliche wirtschaftliche Notwendigkeit. Als Koppeln bezeichnet man umzäunte Landstücke, die außerhalb der Feldgemeinschaft in Sondernutzung standen. Die Koppeln entstanden am häufigsten neben dem gemeinschaftlichen Land durch Rodung im Holz und in der Gemeinen Weide/Heide. Dieser Prozeß ist auch in Kastorf zu belegen. Leider gibt es so gut wie keine Unterlagen über die Feldmark vor 1751 und nur eine Flurbezeichnung, "Lattensahlskoppel", die von vor 1751 überliefert ist. Doch macht dieser Flurname seiner Bedeutung gleich besondere Ehre, denn er drückt ebenfalls mit "Lattensahl" die eigentliche Bedeutung des Wortes Koppel aus.
Dazu aus einer Abschrift von 1690 zur Hamburg-Lübecker-Landstraße, die beweist, dass in Kastorf schon 1690 Knicks angelegt wurden:
Wan die Maxime stahtfinden, daß denen fuhr-
leuten alles das müste wieder eröffnet werden
worüber sie jemahls gefahren; so müste auch
billig zu kastorff der Grabe, so ümb den drennsche
berg der holsteinischen scheide [gemeint ist die Grenze nack Klinkrade,
das zum Amt Steinhorst gehörig 1690 Holsteinisch war], nieder geworffen
und ihnen denen Fuhrleuten eine freyefart
gegönnet werden, weil sie vielfältig dar-
über gefahren.
Zu Bleystorffe müste die koppel an der kastorffischen
scheide, darüber vor diesen stetig gefahren worden
jetzo aber mit einem knick und Graben ümbge-
ben: nachdem vorher von dem gemeinem Guhte
der Wegk und damme gebessert: wieder nieder ge-
schaffen und zum Wege gebrauchet werden.
2. Setzung und Egalisierung: Die kaum noch nachvollziehbaren Besteuerungen der einzelnen Bauernstellen machten Ende des 17. Jhdt. eine neue Setzung (Besteuerung) nötig. Auf allen adligen Gütern unter dem scharfen gutswirtschaftlichen System fehlte die Bereitshaft der Bauern um eine neue Setzung, so konnte nur etwas geschehen, wenn die Obrigkeit alle Kosten auf sich nahm, im Kastorfer Fall Baron von Hammerstein, weil ihr Ziel über die Besserung der eigenen Wirtschaft und der der Bauern hinaus sich auch darauf richtete, diese “besser und glücklicher zumachen”. Ingenieur-Capitain Pierre Joseph du Plat (auch Duplat) fertigt 1750 zu diesem Zweck eine Karte und ein Vermessungsregister an, das aber leider verschollen ist.
Zum Lauenburgischen Meyer-Recht: Die rechtliche Grundlage für das ganze Vorgehen des Kastorfer Gutsherrn stellt die Landesherrliche Resulotion von 1718 dar, die dem Grundherrn z.B. das Versetzen oder Vertauschen der Bauerländereien gestattet. Einschränkend dazu das Königl. Rescribt vom März 1727, wonach diese Vertauschung nur durch eine Regierungs-Commission vorgenommen werden durfte (im Kastorfer Fall durch die Herren Pensionär Johann David Riecken, Klempau; Hartwig Friedrich Nanne, Rondeshagen; Bartelt Hartwig Pentz, Bliestorf; Gerichtsverwalter Knolle, Wotersen und dem Anwalt des Gutsherrn von Hammerstein, Procurator Schubert sowie G. von Hövel und D. König).
Die Hufner erhalten 90 Scheffel (ca. 16 ha) Ackerland inkl. Hofplatz und Wiesen à 25 Fuder Heu, dazu 28 Scheffel Hölzung wovon 2 Scheffel jährlich geschlagen werden dürfen. Die Allmende bleibt frei. Zu leisten sind 3 Tage Spann- u. 3 Tage Handdienste. Damit müssen die Kastorfer Bauern einen Tag Handdienste mehr leisten als im Königlichen Rescribt von 1720 vorgesehn ist. Die ehemals starke Viehwirtschaft wird eingeschränkt (von 10 auf 2 Kühe pro Hufner).
Vor der Verkoppelung war das ganze Gebiet der Lübschen Berge (Christianshöhe) eine Art Wildnis, die man ebenfalls zur allgemeinen Weide nutzte.
Die Umwandlung der Hofstellen in Erbpacht im Jahre 1808 erfolgt in Kastorf allerding im Vergleich sehr spät (s. Hufe B).
1751: Der Hufner Bubert wendet sich an den Britischen König Georg II.
Die Verkoppelung stößt bei den betroffenen Bauern nicht gerade auf Begeisterung. Bedeutet sie doch in vielerlei Hinsicht eine große Umstellung. Zudem treibt der Baron von Hammerstein mit dem von ihm begünstigten Bauernvogten eine Keil zwischen die Bauernschaft.Dem allerdurchlauchtigsten Großmächtigen Fürsten und Herrn Georg [* 1683, † 1760] den andren, König von Groß-Brittanien, Frankreich und Irrland besitzer des Glaubens, Herzogen zu Braunschweig und Lüneburg, des Heiligen Römischen-Reichs Ertzschatz-Meister und Curfürst, unserem allergnädigsten König Curfürst und Herrn zu Hannover.
Hochwohlgeborne Gnädige Herren.
Eur. Hochwohlgebohrene werden gnädig verzeihen, da Ich [Heinrich Bubert, Hufe E] mich erkühne eine flehentlichen Brief an Eur. Hochwohlgebohrne zu überreichen demühtigt und unterthänigt Ihnen meine Klage vorzustellen, dazu zwingt mich die eusserste Noth. Ihro Excellens der Herr General Leutenant Baron von Hammerstein als jetziger Besitzer des Dorfes Castorp hat sich vorgenommen eine große Neuerung und eine gänzliche Veränderung in unserem Dorf anzustellen. Betrübte und zu unserem grosten Schaden gereichende anstalten sehen wir schon mit betrübten augen an der Herr General Leutenant Baron von Hammerstein als Besitzer des Dorfes Castorp ist gewilliget unsere Häuser bis auf den grund niederzureißen. Er will uns für diese eine neue Wohnng an abgelegten Orten wieder aufbauen lassen.
Empfindlich und höchst betrübt ist es uns daß wir ohne alle Recht und Billigkeit diejenigen Häusser gleichsahm mit den Rücken ansehen sollen, welche unsere Vorfahren gekaufet, aufetauet und von unendliche Jahren diese als Ihr Eigenthum bewohnet und besessen haben. Wen groß der Schmerz un das Wehklagen hierüber sey, kan ein jeder sich genug vorstellen woferne noch einige Regungen der Menschlichkeit bey Ihm wohnet. Noch mehr jetziger Herr ist auch gesonnen unsern um Besitz gehabten Acker, unsere Weide, auch unsere Holtzung von uns zu nehmen. Er weiset uns zwar Land an, welches Er nur an dessen statt wieder zugeben willens ist. Aber dieses Land ist unbrauchbahr und fast untauglich Getraide zu tragen; da doch unser jetziger acker von uns durch vielen Schweiß und angewandter Mühe in einen so guten Stand gebracht worden, daß wir alle Jahre von Ihm so viel inärndten können, als zur Erhaltung unsers mühseligen Lebens erfordert wird haben wir bey Besitzung unserer jetzigen Länder neue bis zehen Kühe unterhalten können und ist unse diese freyheit jederzeit erlaubet gewesen so wird uns jetzo angedeutet nicht mehrern als zwo Kühe zu halten und die Weide all uns so abgeschnitten werden, daß wir nicht vermogens sind meheren Nahrung zu geben . Ihre Excellens der Herr General Leutenant Baron von Hammerstein lasset uns die gemeine Weide abnutzen, wo unser Vieh bishero Unterhaltung gefunden. Er befiehlet das Holtz auszuroden uns das Land zu seinem eigenen Nutzen in Koppeln zu schlagen. Was kan aber aus dieser betrübten Veränderung anders entstehen als unser gewisser Untergang? Wir müssen dadurch in die äusserste Noth ja am Betel Stab gerathen. Noch nicht genug Er verlanget auch von uns daß wir den schweren und Haussegen hoffe Lage auf uns nehmen sollen so wie wir bishero gehabt haben hierin machet Ihro Excellens der Herr General Leutenant Baron von Hammerstein leyder gar keine Veränderung, da Er doch alle andern Umstände verändern will, und deren entlediget Er uns nicht, da er doch allen Nutzen benehmen will, bey Übergebung dieses Dorfes an das Curfürstliche Haus Hannover st es beschlossen worden, daß wir Mondgeld lieffern sollen, von welchem wir vorhin nichts gewust haben. Wir erlegen dieses gern wofern es möglich ist. Allein wie kan es möglich seyn wenn uns dasjenige entnommen wird woraus wir die Ausgabe suchen müssen. Weil der Bauer Vogt sich genöhtiget gesehen, sich über das Verlangen unsers Herrn zu beklagen, weil er es an die Regierung zu Ratzeburg angegeben und Hülfe daselbst gesuchet, so ist von mir, unglücklichen mein angeerbtes Land genommen und es dem Bauer Vogt beleget damit Er nur zu frieden und sich nicht wieder beschweren mögte. Ich und meine betrübte Nachbahrn nur auch zwar bey dem Excellens dem Herrn Regierungsrat zu Ratzeburg gemeldet und flehentlich gebeten daß Ihro Excellens dem Herrn general Leutenant Baron von Hammerstein anbefohlen würde, daß Er mir mein bereits abgenommen und von dem Bauer Vogt bepflugtes Land wieder geben, daß Er die mir und meinen sämtlichen Nachbahren sehr schadliche und verderbliche Neuerungen wieder aufheben, und es so lassen müsse wie unseren Vorfahren es in Besitz gehabt haben. Allein unverrichteter Sache haben wir wieder zu Haussekehren müssen, Weswegen wir nur genöthiget sehen und mich meines Landes beraubten Mann die gröste Noth antreiben, zu Erw. Hochwohlgebohrnen gnädigen Herrn unsere Zuflucht zu nehmen und Ihnen mit flehendem hendem Munde unser elend zu klagen und zugleich um hülffe anzuhalten Wir bitten, unterthänigst uns die Hohe Gnade zu erweisen und Ihro excellens den Herrn General Leutenant Baron von Hammerstein als jetzigen besitzer des Dorfes Castorp vorstellig zu machen, daß er erbunden sey mir mein abgenommenes Land wieder beyzulegen, uns insgesammt in Ruhe und in den vorigen zustande zu lassen, und uns nicht gänzlich zu Grunde zu richten, wahe gewis erfolgen muß. wo die Neuerungen alle geschehen die Er anzustellen wollen ist den übrigen Ländern welche an das Haus Sachsenlauenburg gefallen sind ist diese große Gnade wieder folhren, daß sie alle Ihre vorhin gehabte Gerechtigkeiten behalten haben; und wir versprechen uns gleiche Gnade von dero väterlichen Liebe Ich lebe in gewisser Hafting daß Eur. Hochedelgebohren gnädige Herren unser bevorstehendes Elend verhindern und uns dero Unterthanen glücklich zu erhalten Verlangen tragen. Ich empfehle mich in dero väterliche Gnade und verbleibe jederzeit
Eur. Hochwohlgebohrnen Gnädigen Herren
unterthänigster Knecht Heinrich Bubert
Castorp d Octob. 1751
Anmerkung: Wie schon oben beschrieben, ist die Rechtslage eindeutig, und Baron von Hammerstein hat die Verkoppelung rechtlich korrekt durchgeführt. Es ist auch nicht verwunderlich, dass sich von den betroffenen Hufner ausgerechnet Bubert zu Wort meldet, denn wie man aus der Hoffolge ersehen kann, ist er nur Interimswirt und natürlich nicht sonderlich daran interessiert, für die Erben der Hofstelle, diese tatsächliche Mehrarbeit (Rodung, Urbarmachung, Hausbau etc. ) in den Anfangsjahren auf sich zu nehmen.
1752: Eine weitere flehende Bitte an den König
Am 2. Juni 1752 erlauben sich die Kastorfer Hufner, diesmal gemeinsam, denn jetzt wird es wohl auch dem Bauernvogten zuviel, wieder an den König zu wenden. Ein Haus ist bereits trotz Widerstand niedergelegt, der Wald getauscht und die alte Allmende eingezogen und besät. Durch die Verkoppelung ist jetzt auch das Hoffeld beträchtlich vergrößert und von Hammerstein hat die Hofdienste erhöht, um die hinzugewonnenen Fluren jetzt auch bewirtschaften zu können. Er versucht die Bauern von der Verbesserung im Guten zu überzeugen, doch da dies nicht fruchtet zeigt er eine angebliche königliche Order vor, doch die Bauern durchschauen diese Finte. Daraufhin droht er den Bauern mit Todestrafe oder sie aus dem Dorf zu jagen, wenn sie sich nicht fügen würden. So die Schilderung der Bauern.
Vermutlich ist das Schreiben nie über die Königliche Regierung in Hannover hinausgekommen, und auch wenn, dann wären die Kastorfer bei diesem König ohnehin ins Leere gelaufen, denn der hat sich in seinen letzten Regierungsjahren sowieso nicht mehr um Staatsgeschäfte gekümmert. Letztendlich haben sich die Kastorfer Hufner offensichtlich ihrem Schicksal ergeben, naja fast, bis auf Gotthard Gottschalk Wegner (s. Hufe B) und Heinrich Bubert (s. Hufe E).
Allerdurchläuchtigster, Großmächtigster, aller gnädigster König Curfürst und Herr!
Endlich hat uns die größte Noth angetrieben in dehmühtigster Unterthänigkeit uns vor den Füssen Eur. Königlichen Majestaet wieder zu werfen, und Flehentlich um Gühte in unserem durch Unrecht uns zugewachsenen Elend zu wiese u. sind diejenigen höchst unglücklich, welche durch Gewalt von dem Ihrigen vejaget werden und Ihre Häusser vor Ihren Augen müssen niederreißen sehen: so sind wir die unglücklichen, welche mit betrübten Gewicte diese traurige Anstalten täglich erblicken. Nimmer würden wir uns unterstanden haben, vor die Augen Eur. königlichen Majestaet zu erscheinen, uns als geringe Unterthanen unserm gnädigen Landes-Vater mit unsern wehmüthigen Klagen beschwerlich zu fallen, wenn wir nicht schon alle andren Mittel versuchet hätten.
Diese einzige nehmlich zu Eur. Königlichen Majestaet nur zu nähern ist uns nur noch übrig nur dieses machet uns noch Hoffnung, daß ...
ausführliches zum Meierrecht in den Bemerkungen über Rechtsstreit Hammerstein ./. C. Meyer 1813 von J. M. Ch. Gottschalk